Peter allein unterwegs

Peters Traumgeschichten

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Peter ist ein Junge, der in die erste Klasse geht. Für seine sechs Jahre ist er noch recht klein, aber dafür umso schlauer. Seine Eltern Karl und Lina haben ihn sehr lieb. Zusammen wohnen sie in einem dreistöckigen Haus in der Stadt. Ihre Wohnung befindet sich oben links. Er besucht gerne und oft seine Oma und seinen Opa. Er ist also ein ganz gewöhnlicher Junge. In einer ganz gewöhnlichen Familie. Ein ganz gewöhnlicher Junge? Nicht ganz. Nachts träumt er verrückte Dinge und erlebt die spannendsten Abenteuer. Meistens sind seine Träume wunderschön, aber manchmal machen sie ihm auch Angst.

„Und so heiratete der Schneider die Prinzessin und wurde zum König“, schloss Peters Mama mit der Geschichte ab, „Jetzt träume was Schönes, Großer. Morgen kannst du mit den anderen Kindern in der Schule spielen.“
„Aber Paul sagt immer, ich bin noch zu klein, um mit ihm und den anderen zu spielen, nur weil ich der kleinste in der Klasse bin“, jammerte der kleine Junge.
„Du hast doch beim tapferen Schneider gehört, dass auch ganz kleine ganz groß sein können“, Peters Mama stand auf, „Du kannst etwas Tapferes machen und bist dann so groß wie ein Riese“. Sie gab ihm noch einen Kuss. Dann ließ sie ihn schlafen. Peter dachte noch daran, wie ihn die anderen Kinder geärgert hatten, doch dann schlief er ein.

 „Wach auf“, flüsterte eine brummige Stimme in Peters Ohr, „Wach auf.“
Der kleine Junge öffnete seine Augen, als etwas Weiches über seine Stirn strich. Er blickte in das Gesicht seines Teddys. Dieser lächelte ihn freundlich an.
„Was ist denn los?“
„Schau dich mal um. Wir sind im Traumland“, Teddy drehte sich um.
„Aber das ist doch mein Zimmer“, sagte Peter blinzelnd.
Die Tür zum Zimmer ging auf und seine Mutter trat ein.
„Guten Morgen Spatz. Hast du schön geschlafen?“, sie lächelte ihn an.
„Ist es schon wieder so spät?“, fragte der kleine Junge und rieb sich die Augen, er konnte sich nicht daran erinnern, was er geträumt hatte.
„Es ist schon sehr spät. Du musst gleich in die Schule“, seine Mutter hielt ihm Anziehsachen vor die Nase.
Müde rieb sich Peter die Augen und reckte die Arme in die Höhe, damit seine Mutter ihm den Schlafanzug aus und einen Pullover, mit einem Feuerwehrauto darauf, anziehen konnte.
„Du bist doch schon ein großer Junge“, Peters Mama lächelte, „Du kannst schon so vieles alleine. Deshalb darfst du ab heute alleine zur Schule gehen.“
„Alleine?“, fragte Peter und riss die Augen weit auf. Gestern noch hatte er seine Mama gefragt, ob er auch alleine zur Schule gehen kann. Schließlich war er schon groß und konnte viele Sachen schon alleine. Er zog sich die Strümpfe alleine an und auch die Hose. Und ausziehen konnte er sich schon lange. Sogar Schuhe konnte er sich schon anziehen, mit Schleife.
Peters Mama nickte, „Du kennst den Weg ja auswendig. Vorsichtig über die Straße, rechts an der Kita vorbei und dann bist du auch schon da.“
Peter freute sich sehr. Seine Mama hatte ihm schon seinen Tornister gepackt, er zog eine Jacke an, setzte den Rucksack auf und klemmte sich seinen Teddy unter den Arm. Es schien ihm, als würde Teddy „Ich mag es getragen zu werden.“ brummen.
Eine Minute später stand er auf der Straße. Seine Mutter winkte ihm. Er winkte zurück. Ein komisches Gefühl grummelte in seinem Bauch. Gestern hatte ihn seine Mutter noch begleitet, jetzt lief er alleine die Straße entlang. Er sah sich immer wieder um. Das Haus war erst noch groß, dann klein und schon außer Sichtweite. Er ging weiter. Plötzlich hörte er ein tosendes Geräusch. Er drehte sich um und stand vor einem großen Wasserfall. Von oben, über dem Wasserfall, erklang lautes Schnattern.
„Enten!“, Peter liebte Enten. Das waren lustige Tiere. Wie sie flatterten und schnatterten. Hatte er da gerade kleine Entenbabys gesehen? Die waren aber oben am Wasserfall. Peter wollte sie unbedingt sehen. Er verließ den Weg und ging eine kleine Treppe neben dem Wasserfall hinauf. Oben angelangt sah er einen großen See. Eine Schar bunter Enten kam ihm gleich entgegengeschwommen. Da waren auch die kleinen, süßen Babys. Sie kamen neugierig zu ihm. Eine Ente sprang sogar an Land und sah ihn direkt an.
„Ich habe leider nichts für euch dabei“, sagte Peter traurig.
Die Ente sprang hoch und zupfte an einem Plastikbeutel, der an Peters Rucksack hin. „Oh. Das ist ja toll. Mutter hat mir etwas für euch mitgegeben.“ Peter machte den Beutel los und packte seinen Teddy in den Rucksack. Peter füttert gerne Enten und so freute er sich, als die Tiere ihn dicht umringten und darauf warteten, dass er die Brotkrumen zu ihnen hinabwarf.
Er öffnete die Tüte und die Enten schnappten und schnatterten wild nach den Brotstücken. Als die Tüte leer war, sagte er zu den Enten: „Ich muss jetzt in die Schule weitergehen, aber ich komme morgen wieder.“
Die Enten schnatterten ihm noch einmal zum Abschied zu und schwammen dann auf den Teich zurück. Der kleine Junge drehte sich um und sah eine riesige Wiese mit vielen, bunten Blumen vor sich. Einige waren so riesig, dass er darauf sprang und mit ihnen hin und her wippte.
„Das macht Spaß!“, rief er und sprang zur nächsten Blume hinüber, ihm war so, als würde ein zustimmendes Brummen aus seinem Rucksack kommen … Peter hüpfte noch zwei Blumen weiter und kam an den Rand der Blumenwiese. Sie endete direkt vor einer Straße, die hauptsächlich aus Gullydeckeln bestand.
„Ein Gullydeckel!“, reif er und rannte von einem zum nächsten, „Noch ein Gullydeckel. Guck mal Mama!“
Als er keine Antwort hörte, drehte er sich um. Sonst antwortete seine Mutter doch immer, wenn auch genervt. Erst als er sich einmal komplett umgedreht hatte, erinnerte er sich, dass er heute alleine zur Schule gehen durfte. Erschrocken sah er auf. Er musste zur Schule gehen! Sein Papa hätte bestimmt gesagt, dass er schon sehr spät dran sei. Der kleine Junge stand mitten auf der großen Straße mit den vielen Gullydeckeln und sah sich um. In welche Richtung ging es jetzt zur Schule? Nach rechts? Nach links? Geradeaus? Er wusste es nicht. Er wusste nicht einmal mehr, wo er sich befand. Plötzlich bekam Peter Angst.
In diesem Moment erklang ein lautes Hupen. Ein Auto kam herangebraust und fuhr dicht an ihm vorbei. Kurz darauf kam ein zweites aus der anderen Richtung.
„Hey Junge. Runter von der Straße!“, rief jemand.
Peter rannte von der Straße auf den Bürgersteig.
„Mama? Papa?“, rief er und ein paar Tränen begannen seine Wange hinunterzulaufen, „Hilfe. Ich weiß nicht, wo ich bin.“
„Aber du bist doch im Traumland“, erklärte plötzlich eine brummige Stimme auf seiner Schulter und eine weiche Hand wischte ihm die Tränen von der Wange.
Peter blickte auf und sah seinen Teddy auf seiner Schulter sitzen.
„Im Traumland ist alles so wie du es willst“, erklärte eine liebliche Stimme.
Vor ihm schwebte nun die kleine Fee Linda.
„Ich will in die Schule“, sagte Peter und schluckte seine letzten Tränen hinunter.
„Dreh dich nur um“, Linda lächelte.
Peter drehte sich um. Jetzt stand er plötzlich auf dem Schulhof. Hinter den runden Beeten und der Fahrbahnmarkierung auf dem Platz befand sich die Eingangstür der Schule. Frau Hartmann, seine Klassenlehrerin, stand in der Tür und winkte ihm zu. Als auf die Eingangstür zu rannte, flog eine Schar Enten über ihn hinweg.

 Peter erwachte und zog Teddy näher an sich heran. „Weißt du Teddy. Wir sind schon groß und können schon vieles alleine, aber es ist auch nicht schlimm, sich helfen zu lassen. Morgen gehe ich noch einmal mit Mama und merke mir den Weg ganz besonders gut, übermorgen mit Papa und dann schaffe ich den Weg alleine!“